Die Feste feiern, wie sie fallen – Dezember

Auch wenn wir schon mitten im Januar sind, möchte ich einen kurzen Rückblick auf einen Dezember voller Feste und Feierlichkeiten schreiben. Häufig wurde ich von deutschen Freunden und Bekannten gefragt, ob und wie man Weihnachten in Ecuador feiert, und von Ecuadorianern, ob und wie man Weihnachten in Deutschland feiert.

Ein Einblick in meinen Dezember:

6. Türchen: Mein Geburtstag

Den Vormittag habe ich vier Stunden meine Achtklässler unterrichtet, danach mit der Familie geskypt und auf die Nachrichten von Freunden geantwortet. Vielen Dank an alle, die an mich gedacht und mir geschrieben haben –  es war für mich das größte Geschenk, das ihr mir machen konntet! Später habe ich mich mit einer Freundin zum Kaffeetrinken getroffen und abends mit der ganzen Gastfamilie eine Geburtstagstorte gegessen.

9. Türchen: Feier

Am Wochenende wurde mein Geburtstag mit Freunden und Freunden von Freunden gefeiert. Wir durften in dem Haus von Paúl und Yakus Vater feiern, das ca. eine Stunde außerhalb auf dem Land war.

Von dort aus konnten wir einen wunderschönen Sonnenuntergang und einen traumhaften Sternenhimmel beobachten. Wir aßen, tranken, lachten, unterhielten uns, tanzten bis spät in die Nacht, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Sprache und kulturellem Selbstverständnis. Es war eine sehr schöne Feier. Wie bei Geburtstagsfeiern wurde ich aufgefordert, mein Gesicht in die Torte zutunken. (Beweisvideo:)

13. Türchen: Mitwirkung an einer Novena

Statt der Adventssonntage werden in Ecuador neun Novenas gefeiert, Andachten mit Gebeten und Weihnachtslieder, deren Abfolge eine feste Struktur hat. Ein Tag ist den Hirten gewidmet, ein Tag Maria, einer Josef usw. In meiner Schule haben alle Kollegen der Mittelstufe diese in den großen Pausen durchgeführt. Auch ich durfte mitwirken und ein Gebet vorgelesen. Diese Pausen fand ich sehr schön und wunderbar weihnachtlich. Ich habe die typischen Weihnachtslieder, so genannte Villancicos, wie „Mi burrito sabanero“ oder „Ya viene el niñito“ singen und lieben gelernt.

15. Türchen: Pase de Niño

Eine andere ecuadorianische Tradition sind die Pases de Niños. Dieses sind Umzüge zu Ehren des Jesuskindes mit Tänzen, bunten Kostümen und Wägen. Mehrfach täglich konnte man in der Innenstadt Riobambas solche Umzüge sehen. Sie werden von den Schulen, Universitäten, den Krankenhäusern, etc. organisiert. Eine Auswahl von Fotos findet ihr hier: http://anna.sach-online.net/2017/12/pase-de-nino/

 

 

19. Türchen: Christmas Song Festival

Die Englisch-Fachschaft organisierte ein Programm, für das Gruppen aus jeder Jahrgangsstufe ein englischsprachiges Weihnachtslied einstudierten und aufführten. Mein Kollege Fabian und ich moderierten das Programm zweisprachig – ich englisch, er spanisch.

 

21. Türchen: Fiesta Andina y Kapak Raymi

In der andinen Kultur sind andere Tage im Jahr wichtig: der 21. März, der 21. Juni, der 21. September und der 21. Dezember. Dies hängt mit der Sonne und dem landwirtschaftlichen Kalender zusammen.

Zu diesem Anlass hat mein Kollege Jorge gemeinsam mit dem Direktor der Schule ein Fest veranstaltet, um den Schülerinnen und Schülern einen Teil ihrer Herkunft zu zeigen. Wir haben ein Feuer auf dem Schulhof entzündet, umgeben von einer Spirale aus Rosenblättern, haben einen Kreis aus Früchten, Obst, Gemüse und Körnern gelegt, dabei vier Öffnung frei gelassen, die vier Toren der Himmelsrichtungen. Mitgewirkt haben Anhängerinnen und Anhänger verschiedener Religionen, um zu demonstrieren, wie wir friedlich im Glauben vereint sein können. Eine katholische Nonne, ein indigener Prediger, ein Hindu. Spontan fragten mich die beiden Organisatoren, ob ich, christlich-evangelisch, nicht auch teilnehmen könnte. Jede und jeder von uns folgte der Einleitung des Redners, folgten der Spirale zum Feuer, wurden je nach Geburtsdatum zu einem der Tore geleitet und stellten uns im Kreis um das Feuer und sprachen ein Gebet unserer jeweiligen Religion. Am Ende teilten alle Schülerinnen und Schülern die mitgebrachten Speisen.

Ich kam schon vollständig in weiß gekleidet zur Schule, weil meine Freunde Yaku und Paúl mich zu einer indigenen Zeremonie eingeladen haben und mir sagten, dass ich mit weißer Kleidung kommen soll. Indigenen tragen ihre traditionelle Festkleidung, die Mestizen sollten weiß tragen. Direkt nach der andinen Zeremonie in der Schule fuhr ich in den Norden der Stadt. Wir stiegen auf einen Hügel, denn die Zeremonie findet am möglichst höchstgelegenen Punkt statt. Dort fanden wir ein Feuer und einen in den Sand gezeichneten Kreis mit vier Toren vor, ähnlich wie wir es auf dem Schulhof errichtet haben. Die Atmosphäre war aber eine andere, in der Natur, ernsthafter und würdevoller. Mamá Monica erklärte uns Mestizen, wie wir uns angemessen verhalten und an der Zeremonie teilnehmen würden, erklärte, wie sie die Zeremonie durchführte.

Die Zeremonie war eine super interessante Erfahrung, die mich zum Nachdenken gebracht hat. Dieses Weltbild gefällt mir sehr gut, in dem die Mutter Erde und der Vater, die Sonne, verehrt werden, die uns Leben geben. In meinen Augen verständlicher als die Dreieinigkeit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, als die Lehre von Jesus Christus, der Mensch und Gott in einem sei. Man darf nicht vergessen, dass der Katholizismus, der in Ecuador verbreitet ist, von den spanischen Eroberern und der katholischen Kirche mitgebracht und aufgezwungen wurde. Vieles hat sich gemischt, die mestizische Mehrheit der Ecuadorianer ist formell katholisch, doch die Indigenen konnten ihre Tradition bewahren. Von daher kann ich auf die Eingangsfrage antworten, ja in Ecuador wird Weihnachten gefeiert, aber nicht nur, und nicht alle Ecuadorianer feiern es.

*Mestizen: Bezeichnet hier im Artikel Nachfahren von europäischen Eroberern und Siedlern und der indigenen Bevölkerung Lateinamerikas, die sich nicht als Indigene verstehen. Die Bezeichnung basiert weniger auf genetische Abstammung als vielmehr auf das Selbstverständnis und die gefühlte kulturelle Zugehörigkeit. Sie ist keineswegs rassistisch zu verstehen.

 24. Türchen: Heiligabend

Den Tag über habe ich mit meiner Familie in Deutschland geskypt, um an unserem traditionellen Weihnachtsfest teilzuhaben. Am Abend bin ich mit der Gastfamilie in den Gottesdienst gegangen, danach haben sie den typischen Truthahn gegessen und um Mitternacht haben wir eine kleine Bescherung gemacht. Es war eine schöne, ruhige Stimmung, wenn auch ein wenig bedrückt, da ein Sohn meiner Gastmutter im Krankenhaus war.

Zum Abschluss des Jahres bleibt mir nur zu sagen, dass ich unglaublich dankbar bin für meine tolle Familie, für Freunde in verschiedenen Ländern, die an mich denken, ich bin dankbar dafür, in einer lieben Gastfamilie gelandet zu sein, von meinen Kolleginnen und Kollegen integriert zu werden und mich mit den anderen Freiwilligen gut zu verstehen. Danke, dass ich diese Erfahrung eines Freiwilligendienstes machen kann.

Un abrazo (eine Umarmung),

Anna

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